Starker Auftritt – Uli Borowka in HannoverMatthias Oppermann und Uli Borowka

Viele von uns wissen, wie schwer es ist, sich selbst die Sucht einzugestehen. Ist diese Hürde geschafft, stellt sich früher oder später die Frage, wie offen gehe ich mit meiner Sucht um. Es ist eine Gratwanderung, die nur die Betroffenen selbst für sich entscheiden können. Oft herrscht große Angst vor beruflichen Nachteilen oder Ansichtsverlust im persönlichen Bereich. Ob diese Angst berechtigt ist, sei dahingestellt, denn oft hat das Umfeld längst bemerkt, dass jemand ein Suchtproblem hat.

Was es heißt, sich als ehemaliger Profi-Fußballer zu seiner Alkoholsucht zu bekennen, haben wir von Uli Borowka aus erster Hand erfahren. Wenn wir schon in unserem eher überschaubaren Radius Probleme haben, uns zu outen, wie soll es dann jemanden ergehen, der im Fokus der Öffentlichkeit steht? Obendrein, wenn jemand über Jahre im Profifußball aktiv war – einer Sparte in der das Zeigen vermeintlicher »Schwäche« einem Offenbarungseid gleichkommt.

Uli Borowka zeigt wahre Stärke, indem er sich offen zu seiner Alkoholkrankheit bekennt. Mehr noch, er macht sich stark für Suchtprävention bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Viele seiner ehemaligen Sportkameraden und Kollegen sehen in ihm einen »Nestbeschmutzer«, weil er die Umgangsweisen im Profisport öffentlich kritisiert. Er nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und spricht das aus, was sich manche nur hinter vorgehaltener Hand zu sagen trauen.

Mehr als eine Autorenlesung

So war die Lesung in Hannover, die aufgrund der zahlreichen Besucher in die Kreuzkirche verlegt wurde, weniger eine Vorstellung seines Buches »Volle Pulle«. Uli Borowka erzählte vielmehr ungeschönt von seinem Doppelleben als Profifußballer und Trinker, von den Abgründen des Suffs. Er berichtete über sehr persönliche Erfahrungen auf seinem Weg raus aus der Sucht, von der Therapie und den positiven Veränderungen in seinem Leben, nachdem er den Schritt in die Abstinenz gewagt hatte. Aber er sparte auch die Schattenseiten nicht aus, die Ausgrenzung und anfängliche Zweifel, ob es der richtige Weg ist.
Die Veranstaltung hatte, trotz der zahlreichen Zuhörer, ein wenig die Atmosphäre einer vertrauten Runde – ausdrücklich war es erwünscht, Fragen zu stellen bzw. Feedback zu geben.

»Wem erzähle ich von meiner Sucht?«

… diese Frage stellte sich anfangs auch Uli Borowka. Er hat sich entschieden, seine Geschichte öffentlich zu machen – mit aller Konsequenz. Von Anerkennung bis Verachtung reicht die Palette der Reaktionen. Mit seiner Authentizität macht er sich gewiss nicht nur Freunde, aber als Person des öffentlichen Lebens nutzt er seine Prominenz, um auf eines unserer größten gesellschaftlichen Probleme hinzuweisen. Er ist aktiv, setzt sich ein und macht Mut. Ein dickes Dankeschön für diesen Einsatz!
(Bericht: IAB; Foto: Matthias Oppermann und Uli Borowka)

Zum Weiterlesen, Hintergrund-Informationen:
Website von Uli Borowka

Literatur-Tipp nicht nur für Fußball-Fans:
Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker

Der Trinker Wenn Du einem geretteten Trinker begegnest,
dann begegnest Du einem Helden.
Es lauert in ihm schlafend der Todfeind,
er bleibt behaftet mit seiner Schwäche
und setzt nun seinen Weg fort durch die Welt der Trinkunsitten,
in einer Umgebung, die ihn nicht versteht,
in einer Gesellschaft, die sich berechtigt hält,
in jämmerlicher Unwissenheit auf ihn herabzuschauen
als auf einen Menschen zweiter Klasse,
weil er es wagt, gegen den Alkoholstrom zu schwimmen.
Du sollst wissen: er ist ein Mensch erster Klasse.

(Friedrich von Bodelschwingh, Theologe *1831 – †1910)

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